Nothelferkapelle beim Egathof
Sie ist nur eine kleine Feldkapelle. Doch oft kommen Menschen zum Beten an diesen Platz.
Die Auszüge aus einer Predigt von Pfarrer Klaus Bucher im Jahr 2011 enthalten auch Informationen über die Geschichte der Nothelferkapelle:
„Wir sind heute gegen alles versichert. Jeder hat vom Auto bis zum Zahnersatz alles abgedeckt. In früheren Zeiten war Absicherung nicht so einfach. Es gab keine Institutionen, die bei Notfällen einsprangen. Die Menschen waren viel mehr auf sich selber gestellt. Sie erfuhren täglich, dass das Leben immer auch lebensgefährlich ist. Sie haben in den Heiligen Wegbegleiter, Fürbitter und Helfer gefunden. So wurde im Laufe der Zeit ein ganzes „Versicherungspacket“ von himmlischen Helfern für jede Not des Lebens zusammengeschnürt, das den Namen „die Vierzehn Nothelfer“ bekommen hat. Viele Menschen haben dieses Versicherungspacket von vierzehn großen Gestalten aus der Frühzeit des Christentums als hochwirksame Hilfe erlebt.
Jedes Kind kannte die Namen und die Zuständigkeiten der einzelnen vierzehn Nothelfer. Einige davon sind uns heute noch vertraut, andere sind uns fremd geworden.
Bis heute empfangen Viele den Blasiusssegen am 3. Februar, der vor Halskrankheiten schützt.
Der hl. Christophorus hat durch den modernen Straßenverkehr eine neue Aufgabe als Patron der Verkehrsteilnehmer gefunden. Eigentlich ist er der Patron für eine gelingende Lebensreise und vor allem in der Zielgerade ein Helfer für eine gute Sterbestunde. Er hat der Legende nach das Jesuskind über den Fluss getragen. Er soll helfen, gut ans andere Ufer des Lebens zu kommen.
Am 4. Dezember holen auch heute Menschen Barbarazweige ins Haus.
Andere der „Vierzehn Nothelfer sind uns fremd geworden.
Den wenigeren wird zu Namen wie Ägidius, Erasmus oder Dionysius etwas einfallen.
Ich möchte Euch darum einladen, einen geistlichen Spaziergang hinauf in Richtung Egathof zu machen. Seit 1880 steht dort oben die kleine Kapelle, in der wir den Vierzehn Nothelfern begegnen können. Vor einigen Tagen war ich an einem Abend wieder einmal an diesem Platz. Auch wenn die Kapelle zu war, es hat sich gelohnt. Der Blick übers Günztal bis nach Ulm, hinterm Wald die Roggenburger Kirchtürme die im Sonnenuntergang herüber grüßten, bringen Ruhe ins Herz und lassen einen dankbar werden: Herrgott, was haben wir doch für eine schöne Heimat!
Das Innere der Kapelle birgt keine großen Kunstwerke, die hat mal jemand gemeint, rauben zu müssen und auch vor Zerstörungswut blieb das kleine Heiligtum nicht verschont. Vor 15 Jahren musste jemand die Scheiben einschlagen und auch ein Blitzschlag hat die Kapelle einmal getroffen. Seit der Egathof leer steht, ist auch die Kapelle meistens versperrt. Das ist zu bedauern, denn auf dem Bild des kleinen Altars, das wohl wie das Hochaltarbild unserer Pfarrkirche vom Bleicher Maler Johann B. Dollenbacher stammt, da sehen wir sie um die thronende Muttergottes mit dem Jesuskind versammelt, da warten sie auch heute auf uns, um uns Vorbild und Fürbitter bei Gott zu sein: die vierzehn Nothelfer. An ihren Attributen können wir sie identifizieren.
Drei Frauen erkennen wir auf dem Bild:
Barbara mit Kelch und Hostie; Margareta, mit dem Drachen und Katharina mit dem Rad, auf dem sie gefoltert wurde. Oft findet man diese Frauen in Kirchen dargestellt, sie gelten in Bayern als die „heiligen drei Madeln“.
Dazu kommen elf Männer.
Es sind drei Bischöfe: Blasius, Dionysius und Erasmus;
drei Ritter: Achatius, Eustachius und Georg;
ein Einsiedler: Ägidius, ein Riese: Christophorus; ein Kind: Vitus;
ein Geistlicher: Cyriakus; und ein Arzt: Pantaleon.
Ihre „Zuständigkeiten“ ergeben sich oft aus ihrer Lebens- und Sterbegeschichte. Außer Ägidius, der in Frankreich ein Benediktinerkloster gründete, und in unserer Region als Kirchenpatron in Stoffenried verehrt wird, starben alle den Märtyrertod.
Neben dem Altar findet sich in der Egathofkapelle eine handschriftliche Tafel mit den einzelnen Namen und den Patronaten.
Nur zwei möchte ich als Beispiel herausgreifen:
Erasmus war Bischof von Antiochien. Er überlebte sein erstes Martyrium und stand mutig weiter für Christus ein. Er soll darauf besonders grausam gefoltert worden sein. Bei lebendigem Leib seien ihm unter Kaiser Diokletian, dem blutigsten aller Christenverfolger mit einer Seilwinde die Gedärme aus dem Leib gerissen worden. Es ist einleuchtend, dass er Fürbitter bei Leibschmerzen, Koliken, Krämpfen und Magenkrankheiten wurde, aber auch bei schwierigen Geburten angerufen wurde.
Dionysius war um 250 der erste Bischof von Paris. Nach ihm heißt die Kirche, in der jahrhundertelang die französischen Könige begraben wurden S. Denis. Wer heute Paris besucht, kommt der Aussicht und des Flairs wegen auch auf den Montmatre. Dort steht heute die große Herz-Jesu-Kirche Sacre Coeur. Montmatre hat seinen Namen vom lateinischen Mons Martyrum, was „Berg der Martyrer“ bedeutet.
An diesem Platz wurde Bischof Dionysius während einer Predigt enthauptet. Die Legende erzählt, er habe mit abgeschlagenem Kopf die Predigt zu Ende gehalten. Darum wurde er später Patron gegen Kopfschmerzen.
So gibt es zu jeder der Gestalten auf dem Bild eine Geschichte. Manche lächeln darüber, da sicher manches an den Geschichten später phantasievoll überzeichnet wurde. Andere denken: das brauchts heute nicht mehr, wir sind ja versichert.
Aber gegen die entscheidenden Dinge kann man sich nicht versichern. Keiner hat die Garantie, dass er bei bester Gesundheit 95 Jahre alt wird. Und jedes Leben kennt den großen Notfall: Sterben werden wir einmal allein und unversichert müssen.
Die vierzehn Nothelfer und viele andere haben uns vorgelebt, wie das Leben ans Ziel kommt. Darum sind sie auch Wegbegleiter und Fürbitter für uns. Sie haben das Wort des heutigen Evangeliums in ihr Leben gelassen: Glaubt an Gott und glaubt an mich. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, außer durch mich. Die Nothelfer wollen uns helfen, dass wir dieses Vertrauen neu lernen, und dass unser Leben in der Spur Gottes bleibt.“